40 Jahre FVV: Auftaktveranstaltung zum Queeren Sportjahr im Römer

(MK/PIA) 1985 als Sportverein gegründet, um queeren Menschen einen sicheren und diskriminierungsfreien Ort zu bieten, feiern wir in diesem Jahr unser 40-jähriges Bestehen mit dem „Aktionsjahr Queerer Sport“.

Zum Auftakt des Aktionsjahres mit seinen zahlreichen Projekten empfing uns die Stadt im Kaisersaal des Rathauses. Oberbürgermeister Mike Josef begrüßte die über 200 Gäste: „Der FVV feiert in diesem Jahr sein 40-jähriges Bestehen. In dieser Zeit ist der Verein zu einem der größten queeren Sportvereine in Deutschland gewachsen. Mit aktuell fast 1.000 Mitgliedern und mehr als 25 Sportarten trägt er entscheidend dazu bei, dass Frankfurt eine liberale und weltoffene Stadt ist und Menschen unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder sexueller Orientierung eine sportliche Heimat bietet.“

„Auch nach 40 Jahren und mit einer vielfältigen und bunten Mitgliedschaft vergessen wir nie unsere Wurzeln als LGBTIQ*-Sportverein und wenden uns gegen gesellschaftliche Ungleichbehandlung, fordern gerechte Teilhabe, wollen Vorurteile abbauen und gegenseitiges Verständnis fördern. Und so verstehen wir uns als Gemeinschaft, in der jede und jeder offen und vorurteilsfrei Sport treiben kann und bieten allen, die es wollen oder sogar brauchen, einen diskriminierungsfreien Raum“, sagte FVV-Vorstandsmitglied Matthias Krautinger in seiner Begrüßungsrede.

Der erstmals verliehene FVV-Ehrenpreis „Danke Euch“ ging an das Bewerbungsteam des Sportamtes rund um Amtsleiterin Angelika Strötz. Das Team des Sportamtes koordiniert die Bewerbung der Stadt für das internationale Sportevent „EuroGames“ mit verschiedenen Akteuren, darunter auch der FVV. Mit dem Preis wird eine Person oder Institution ausgezeichnet, die nicht aus der Community kommt, sich aber für die Belange von queeren Menschen einsetzt – vor allem im Bereich des organisierten Sports.

Im Lauf des Jahres sollen unter anderem eine Dokumentation zur Vereinsgeschichte, die Gründung einer Stiftung sowie eine große Umfrage zur Akzeptanz von queeren Mitgliedern in klassischen Sportvereinen folgen. Im April ist natürlich auch eine große Community-Party geplant.

Weitere Informationen finden sich hier, die Fotos von der Auftaktveranstaltung hier.

Die FVV-Begrüßungsrede in der Manuskriptfassung

Was für eine Geschichte …

… vor 40 Jahren haben eine Handvoll schwuler Männer einen Sportverein gegründet, weil sie sich im normalen Sportbetrieb Diskriminierungen und Anfeindungen ausgesetzt sahen, weil sie sich nicht outen konnten oder wenn sie sich outeten, nicht mehr so behandelt wurden wie vorher, weil sie so sein wollten, wie sie sind, weil sie einen offenen und diskriminierungsfreien Ort für den Sport suchten. Also machten sie sich selbstständig und wählten auch bewusst einen neutralen Namen, um z.B. bei der Bewerbung um Hallen nicht aufzufallen und gleichberechtigt sein zu können.

Und heute?

Freuen wir uns über die Einladung des Oberbürgermeisters und des Sportamtes in den Kaisersaal des Römers und feiern gemeinsam den Auftakt des „Aktionsjahres Queerer Sport“.

Was für eine Geschichte. So kann es gehen, wenn es gut läuft.

Wir möchten uns auch ausdrücklich bei den Fraktionen der Römerkoalition bedanken, die im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben, dass sich Frankfurt um die Ausrichtung eines internationalen queeren Sportevents bewerben soll. Das begrüßen wir natürlich sehr und es ist ein starkes Signal für Vielfalt, Teilhabe, Gleichberechtigung und Akzeptanz in unserer Stadt. Und natürlich auch ein riesengroßes Dankeschön an das Sportamt, mit dem wir nun schon seit über einem Jahr in dieser Arbeitsgruppe zusammenarbeiten.

Heute sind wir hier und wir, das sind viele unserer Mitglieder, die mit uns feiern, Trainerinnen und Trainer, Referentinnen und Referenten, ehemalige Vorstände und Abteilungsleiter, eben alle, die den FVV ausmachen.

Der FVV ist heute ein selbstverständlicher Teil der Frankfurter Sportgemeinschaft und kooperiert und interagiert z.B. mit dem TuS Makkabi, dem Ruderverein Freiweg, der Schützengemeinschaft Oberst Schiel, dem Kampfsportverein No Limit, dem OTC Offenbacher Tennis Club und vielen, vielen mehr. So lernt man sich kennen, schätzen und vertrauen.

Mit dem „Aktionsjahr Queerer Sport“ wollen wir Öffentlichkeit herstellen, Bekanntheit schaffen, Aktivitäten bündeln, unser Netzwerk ausbauen und neue Freundinnen und Freunde gewinnen.

Wir leben in einer weltoffenen und liberalen Stadt, die die Rechte queerer Menschen achtet und das Verständnis für Pluralismus, Vielfalt, Chancengleichheit und Demokratie fördert.

Das war nicht immer so, aber seitdem hat sich sehr, sehr viel zum Besseren verändert.

Aber was viele bis heute nicht verstanden haben: Wir wollten nie mehr Rechte als alle anderen, wir wollten eigentlich nur die gleichen Rechte. Wenn ein Mann einen Mann liebt oder eine Frau eine Frau, dann nimmt das niemandem etwas weg, dann tut es niemandem weh.

Wir werden oft gefragt, wozu es heute noch einen queeren Verein braucht. Diese Frage ist nicht an uns zu richten, sondern an die Gesellschaft. Denn solange es nicht in jedem Parteiprogramm steht, solange es nicht in jedem Gesetz steht, solange nicht alle Menschen leben, dass queeres Leben ganz normales Leben ist, solange wird es uns geben. Und wir wären die letzten, die nicht glücklich darüber wären, wenn es uns nicht mehr geben müsste.

Unter unseren mittlerweile fast 1.000 Mitgliedern haben wir auch viele, die eben nicht homosexuell leben und so sind wir heute eine vielfältige und bunte Gemeinschaft. Denn wie absurd wäre es, sexuell anders lebende Menschen zu diskriminieren – das widerspräche ja der Idee unserer Gründung. Was wir aber von jeder und jedem bei uns verlangen, ist Offenheit und Akzeptanz. Und so verstehen wir uns als eine Gemeinschaft, in der jede und jeder offen und vorurteilsfrei Sport treiben kann und bieten allen, die es wollen oder sogar brauchen, einen diskriminierungsfreien Raum.

Als Verein mit vielen queeren Mitgliedern sind wir aber auch in großer Sorge: Die Akzeptanz für queere Rechte bröckelt, rückwärtsgewandte Ideen und Organisationen verzeichnen außerordentlichen Zulauf und tatsächlich wird die Rücknahme erkämpfter Rechte auch in EU-Nachbarländern bereits gesetzliche Realität.

Wir sind besorgt.

Wir wissen nicht so recht, warum sich gerade jetzt so viele Menschen und Staaten von der freiheitlichen, pluralen Demokratie abwenden. Wenn sie wenigstens eine gute neue Idee hätten, könnte man es verstehen, aber die Hinwendung zu den gescheiterten Konzepten der Autokratie, der Oligarchie, der Kleptokratie ist oft nicht nachvollziehbar. Und damit einher geht immer auch Homophobie.

Die stärkste Kraft in einer Demokratie ist die Mehrheit, aber sie kann auch nicht alles bestimmen, denn funktionierende Demokratien schützen Minderheiten. Zur Demokratie gehört die Freiheit, aber sie gilt nicht absolut, sie findet ihre Grenzen dort, wo die Freiheit des anderen beginnt. Freiheit hat immer auch mit Rücksichtnahme zu tun. Keine Frage, wir müssen diskutieren, auch streiten, an unserem Gesellschaftsvertrag arbeiten, unsere Demokratie besser und attraktiver machen. Aber deshalb dürfen wir nicht ins totalitäre Gegenteil verfallen. Wir haben selten autoritäre Regime erlebt, in denen die Wohnungen größer, die Urlaube länger, die Gehälter höher und das Essen besser waren.

Oligarchien, Kleptokratien und Autokratien – hassen Demokraten, hassen Journalistinnen und Journalisten und hassen queere Menschen, also genau die Gesellschaft, in der wir uns wohl fühlen.

Mit Unterstützung des Amtes für Multikulturelle Angelegenheiten haben wir in diesem Jahr erstmals eine Umfrage unter den rund 1.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer unseres XMAS Turniers durchgeführt. Die Auswertung ist noch im Gange, lässt aber einige interessante Ergebnisse erwarten. Unter allen Teilnehmenden aus dem Großraum Frankfurt sind rund 22% der Meinung, dass sich die Lebenssituation für queere Menschen verschlechtert hat, beschränkt man die Auswahl auf die Mitglieder des FVV, also auf den Verein, in dem der Anteil queerer Menschen sicher höher ist als im Durchschnitt der Teilnehmenden, sind es bereits 37%, die der Meinung sind, dass sich die Situation verschlechtert hat.

Unsere Sorgen nehmen zu.

Manche mögen darüber lächeln, aber wir sind tatsächlich schon dabei, den FVV widerstandsfähiger zu machen. Dabei spielen natürlich mehr neue engagierte Mitglieder eine wichtige Rolle, wir ordnen unsere Finanzen, reduzieren unsere infrastrukturellen Fixkosten, arbeiten an der Gründung einer FVV-Stiftung, um uns finanziell unabhängiger zu machen und natürlich hat auch das Thema Datenschutz unserer Mitglieder eine ganz neue Dimension bekommen.

Der FVV ist ein Sportverein und keine politische Organisation, aber als mitgliederstärkste queere Institution in Hessen wollen wir uns auch am gesellschaftlichen Diskurs beteiligen. Starke LGBTIQ*-Communities haben uns in vielen Bereichen Rechte erkämpft, die wir heute alle selbstverständlich genießen. Der FVV hat dazu immer Stellung bezogen und mit Projekten wie Outreach Osteuropa oder unserem Engagement für den CSD einen großen Beitrag geleistet.

Auch nach 40 Jahren und mit einer mittlerweile vielfältigen und bunten Mitgliedschaft werden wir unsere Wurzeln als LGBTIQ*-Sportverein nie vergessen und uns gegen gesellschaftliche Ungleichbehandlung stellen, faire Teilhabe einfordern, Vorurteile abbauen und gegenseitiges Verständnis fördern.

In unserer Satzung gibt es nur einen Vereinszweck und das ist der Sport. Und hier sind wir dem Landessportbund Hessen sehr dankbar, dass er klargestellt hat, was ein Sportverein tun sollte: „Gemeinnützige Sportvereine sind parteipolitisch neutral, aber nicht gesellschaftspolitisch neutral. Indem sich Vereine aktiv gegen Diskriminierung, Rassismus und andere Formen der Menschenfeindlichkeit aussprechen, setzen sie ein klares Zeichen und treten offen für die Werte des Sports ein. Ein Verein, der sich gegen menschenfeindliche Positionen ausspricht, schützt Menschen innerhalb und außerhalb des Vereins, die von Diskriminierung betroffen sind. Und er stärkt die Menschen, die sich für eine tolerante und offene Gesellschaft einsetzen“.

Im Sport muss am Ende immer einer gewinnen. In unserem gesellschaftlichen Zusammenleben ist das anders. Wir dürfen uns nicht spalten lassen in Gewinner und Verlierer. Der Kompromiss macht unsere Gesellschaft aus.

Sport zu treiben, ist ein wundervolles Hobby, aber angesichts dessen, was da draußen passiert müssen wir spätestens jetzt mehr tun. Denen, die bisher noch nichts getan haben, rufen wir zu: „Jetzt legt endlich los!“. Für diejenigen, die bereits viel tun, haben wir die schlechte Nachricht, dass sie noch mehr tun müssen.

Wer jemals geglaubt hat, man könnte auf uns, unsere Stimme und unser Tun verzichten, hat sich geirrt. Wir werden gebraucht und sind für alle da, die zu uns kommen. Menschen, die eine Gemeinschaft suchen, die besonders hohen Wert auf Fairness, Respekt, Toleranz, Diversität und Teilhabe legt.